Das Ding mit der Vereinbarkeit
Als mein Mann und ich vor mittlerweile fast zwanzig Jahren heirateten, war uns beiden vollkommen klar, dass wir bestimmt niemals so eine klassische Rollenverteilung in unserer Ehe haben würden wie seine und zum Teil auch meine Eltern. Meine Schwiegereltern führten eine klassische Hausfrauenehe, er brachte das Geld nach Hause, sie kümmerte sich ums Kind, führte den Haushalt, und verdiente, sobald ihre häuslichen Pflichten das zuließen, ein bisschen was dazu. Meine Eltern hingegen waren zwar beide berufstätig – meine Mutter stockte, als wir alt genug waren, wieder auf Vollzeit auf – aber dennoch war meine Mutter mehr oder weniger allein für den Haushalt zuständig. Mein Vater kümmerte sich um den Garten und sanierte nebenher das alte Haus, dass sich meine Eltern nur dank zweier voller Beamtengehälter leisten konnten. In den achtziger Jahren galt so eine Konstellation als ziemlich fortschrittlich. Im Kreis unserer Mitschüler:innen hatten meine Schwester und ich einen regelrechten Exotenstatus, weil unsere Mutter arbeiten ging.
Man sollte meinen, diese Zeiten wären vorbei. Als junge Ehefrau war ich jedenfalls fest davon überzeugt, dass das bei uns anders laufen würde. Warum auch nicht? Wir waren beide voll berufstätig, verdienten unser eigenes Geld, und machten alles vom Haushalt über die Steuererklärung bis zur Urlaubs- und Freizeitplanung gemeinsam. Natürlich hätte mir auch damals schon klar sein können, dass a) ich deutlich weniger verdiente als mein Mann (trotz vergleichbarer Abschlüsse), und dass b) mein Mann im Rahmen seines Jobs in der Maschinenbaubranche viele Überstunden kloppte und viel dienstlich unterwegs war, manchmal über Wochen. Wer von uns beiden würde also, wenn ein Kind kam, zuhause bleiben? Natürlich ich. Alles andere war schlicht nicht möglich.
Und so kam es dann auch. Beim ersten Kind, geboren 2009, schnappte die Falle zu. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon ein paar Jahre freiberuflich tätig, und redete mir die Sache schön: „Ein Jahr Elterngeld, dann such ICH MIR (nicht WIR UNS) eine Tagesmutter und fange wieder an.“ Mein Mann ging weiter arbeiten und sagte „Mach mal!“ Und ich machte mal. Erst PEKiP, dann Krabbelgruppe, dann doch noch ein Jahr zuhause, weil keine Tagesmutter verfügbar, währenddessen wieder schwanger, erstes Kind in der Kita, Geburt des zweiten Kindes, wieder zwei Jahre zuhause, weil immer noch keine Tagesmutter am Start. Dann war, viereinhalb Jahre nach der Geburt von K1, K2 auch endlich in der Kita, und ich hatte theoretisch von sieben Uhr morgens bis 14 Uhr Zeit zum Arbeiten. Wer sich in der Werbebranche auskennt, weiß, dass Agenturen nicht vor neun Uhr morgens zu erreichen sind. Dafür ist nach hinten Ende offen. Diese Arbeitszeiten sind mit einem Dasein als junge Mutter nicht kompatibel. Also weiter als Freelancerin, aber nicht im Auftrag von Agenturen, sondern direkt für den Endkunden. Das bedeutete erstmal Klinkenputzen. Ich stöberte im Netz nach kleinen und mittleren Unternehmen mit schlechten Webseiten und machte ihnen Angebote, die sie nicht ablehnen konnten. Ich verkaufte mich sehr oft unter Wert, nur um einen Fuß in die Tür zu kriegen. Und selbst, wenn es dann mit einem Kunden mal lief, war der Aufwand, den ich betrieb, für den Ertrag, den ich an meinem Kontostand ablesen konnte, viel zu groß.
Denn schließlich hatte ich ja nicht nur meine Arbeit am Hals, sondern ich kümmerte mich auch weiterhin liebevoll und leidenschaftlich um das Wohlergehen von Gatte & Kindern – und mit deutlich weniger Liebe und Passion um Haushalt und den ganzen zusätzlichen Kladderadatsch. Und zwar alleine. Den Kühlschrank füllen, die Wäsche waschen, das Haus sauber halten, Termine im Blick haben, Kuchen backen für den Schulbasar, Arbeitssamstag in der Kita organisieren, Urlaubsplanung, Steuer-erklärung. Und dann noch das bisschen Arbeit. Ich bin mir sicher, dass es mir nicht alleine so geht. Fast alle Frauen mit Kindern im gleichen Alter, die ich kenne, klagen über die gleiche Doppelt- bis Dreifachbelastung. Während unsere Männer einfach arbeiten gehen. Versteht mich nicht falsch, ich möchte um nichts in der Welt mit meinem Mann tauschen. Und meine Familie war immer Nr. 1 und wird es auch bleiben. Aber so, wie es jetzt ist, habe ich es nie gewollt. Wir sind als Eltern beide total überlastet. Der Eine von seinen unmenschlichen Arbeitszeiten und häufigen, langen Dienstreisen. Die andere von den vielen Baustellen, zwischen denen sie umherspringt, um es allen, außer sich selbst, recht zu machen. Und das Ganze für lächerliches Geld. Das sich die Situation mit dem dritten Kind noch verschärft hat, muss ich wohl nicht weiter ausführen.
Es ist weithin bekannt, dass insbesondere Frauen unter der Doppelbelastung Familie und Beruf leiden. Darüber wird schon so lange diskutiert, wie es berufstätige Frauen gibt. Aber gibt es denn auch Ergebnisse? Hat die Diskussion irgendwas erbracht, was Frauen entlastet? Naja. Da ist wohl noch Luft nach oben. OK, Mutter-Kind-Kuren gibt es. Die sind toll, absolut zu empfehlen, jede sollte eine machen. Meine war fantastisch. Aber darüber hinaus? Alle „Errungenschaften“, die Frauen mühsam erkämpft haben, wie zum Beispiel das Recht auf Teilzeit-Arbeit, schleppen einen schweren Pferdefuß hinter sich her: Finanzielle Abhängigkeit vom Ehemann, niedrigere Rentenansprüche, Altersarmut, um nur ein paar zu nennen. Mal ganz davon abgesehen, das Teilzeit-Beschäftigte oft das Gefühl haben, sie müssten in der Hälfte der Zeit genau soviel leisten wie ihre Fulltime-Kollegen, um als vollwertige Arbeitskraft wahrgenommen zu werden.
Ich denke, wir müssen Beruf und Familie neu denken. Die Belastung für die Eltern muss anders verteilt werden. Wie wäre es zum Beispiel, wenn beide Eltern ihre Arbeitszeit reduzieren könnten, ohne Einbußen fürchten zu müssen, weil sie für eine bestimmte Zeit ein bedingungsloses Grundeinkommen beziehen?
Und wie wäre es, wenn wir als Gesellschaft uns mal von der total bekloppten Ansicht verabschieden, dass moderne Frauen alles können müssen? Mutter, Ehefrau, Geliebte, Arbeitskraft, Putzfrau, Köchin, Krankenschwester, Hilfslehrerin, Psychologin und was weiß ich noch alles?
Wir sollten endlich anfangen, aufzuhören.
Damit, es allen recht machen zu wollen.
Damit, komplett surrealen Ansprüchen genügen zu wollen.
Damit, nicht auf uns selbst zu achten.
Denn nur wenn wir wissen, was wir wollen, und wenn wir laut sagen, was wir wollen, können wir auch etwas verändern. Zum Guten. Für unser inneres Gleichgewicht, für unsere Familien und für die Gesellschaft als Ganzes.
Ähnliche Erfahrungen, wie du in der Zeit nach den ersten beiden Kindern, habe ich journalistischer Freelancer auch gemacht. Man betreibt einen viel zu hohen Aufwand im Verhältnis zum Ertrag. Bei mir hat es immer nur gerade so zum Überleben gereicht. 13 lange Jahre ohne wirkliche Besserung. Dann endlich eine Festanstellung – und nach nicht einmal zwei Jahren der komplette Burnout. Seither versuche ich, wieder auf die Beine zu kommen, ohne einfach nur zu funktionieren. Die Schritte sind winzig, die Grenze zur totalen Überforderung ist immer noch extrem schnell erreicht. Der Schaden ist so nachhaltig, dass ich nie wieder in meinen langjährigen Beruf zurück will. Ein BGE hätte da einen enormen Unterschied gemacht. Mir ist Geld echt sowas von egal. Aber wenn du, wie eben als Freelancer in prekärer Einkommenssituation, nicht weißt, ob du diesen Monat alle Rechnungen bezahlt und noch etwas halbwegs vernünftiges auf den Tisch bekommst, dann ist das das vielleicht beschissenste Gefühl, das es überhaupt gibt. Bekäme jeder bedingungslos genügend für die grundsätzlichen Dinge des Lebens, müsste sich niemand als Freelancer aber auch in Jobs für die man keine Ausbildung benötigt oder die einfach nicht wertgeschätzt sind, derart versklaven, wie es oft der Fall ist. Oft reicht ja der eine Job nicht einmal. Ich kenne jemanden, der nach seiner Scheidung drei Jobs hat, weil er sonst nach dem Unterhalt selbst nicht mehr über die Runden kommt.
Ich bin jetzt vielleicht etwas abgeschweift, aber das ist bei mir oft so, dass das Eine zum Anderen kommt und ich dann in Sphären abdrifte, die anfangs so gar nicht Thema waren. Aber das musste ich jetzt einfach loswerden. Ich will auch gar nicht zu viel jammern, denn ich weiß, dass es Alleinerziehende noch sehr viel schwerer haben, weil die sehr viel mehr Verantwortung tragen. Ich kann für mich ja sagen, dass ich einfach mal zwei Tage hungere, weil ich nicht mehr genügend habe und mich nicht noch mehr verausgaben möchte, um das zu stemmen. Wenn eines oder mehrere Kinder da sind, gibt es normalerweise keine Alternative dazu, sich noch mehr auszubeuten (lassen).
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