Question Marks

I bims und versteh nix!

Vong Sprache her

Kürzlich saß ich zur Mittagszeit an einer Bushaltestelle. Sowas kommt bei mir eher selten vor, bin eher unfreiwillig Autofahrerin (siehe letzter Blogbeitrag). Und meine eigenen Kinder sind noch nicht im Teenageralter. Deshalb war, was nun folgt, für mich der extremste Ausdruck des Generationenkonflikts seit meiner eigenen Jugend in den achtzigern (Ja, zugegeben, ich bin alt!).
Da sitze ich also, Knöpfe im Ohr, und will gerade das Volume ein bisschen hoch drehen, als ich unwillkürlich innehalte. Und stattdessen eher mal zuhöre, was die ca. 13jährigen Jungs und Mädchen, die mit mir auf den Bus warten, sich so zu erzählen haben.
Also wirklich, ich habe es versucht. Einige Minuten lang hörte ich konzentriert hin. Ich bekam den Eindruck, dass die verwendete Lingo zumindest rudimentär auf unserer Muttersprache basiert. Das war es dann aber auch. Im Prinzip hätten sich die Kids auch auf Altgriechisch, Esperanto oder Gorgonisch unterhalten können – ich hätte genauso viel verstanden, nämlich nix. Null. Niente. Nada.

Nun bin ich zwar alt, aber ein paar Sachen kapier ich noch. Klar, in dem Alter muss man sich von der Welt der Eltern abgrenzen. Mussten wir ja auch. Aber, und das ist wirklich ein großes Aber: Unsere Eltern waren auch furchtbar peinlich! Sie wählten Helmut Kohl, hörten Rex Gildo, tanzten beim Schützenfest Discofox, zogen sich total unmodern an, machten Wanderurlaub im Allgäu und hängten sich Kuckucksuhren ins Wohnzimmer. Kuckucksuhren!!! Da hielt man besser größtmöglichen Sicherheitsabstand.
Wir hörten je nach Geschmack entweder U2 oder Depeche Mode, stylten uns so, dass wir problemlos als Klone der jeweiligen Bandmitglieder durchgegangen wären und stellten zwischendurch jegliche überflüssige Kommunikation mit der Erwachsenenwelt ein. Als wir ein paar Jahre später wählen durften, wählten wir die Grünen. Nicht weil wir überzeugte Ökologen waren, sondern aus Protest. So funktioniert das mit der Abgrenzung „nach oben“.

Aber ist das heute überhaupt noch nötig? So stylish, so modern, so – gefühlt – jung wie wir war noch keine Elterngeneration in Deutschland. Warum also abgrenzen?
Ganz einfach: Auch wir sind peinlich. Meine Generation guckt sich Dieter Bohlen im Fernsehen an, hört Helene Fischer, tanzt immer noch Discofox und wählt mittlerweile mehrheitlich Merkel. Auch wenn wir modisch und beim Interior Design gegenüber unseren Eltern deutlich aufgeholt haben, besteht also immer noch genügend Abgrenzungsbedarf bei den Kiddies. Optisch ist das schwierig. Wenn Mutter und Tochter sich gerne im Kleiderschrank der jeweils anderen bedienen, ist das kein Punkt, an dem man ansetzen kann.

Nice! Abgrenzung über die Sprache

Bleibt noch Ausdrucksform Nummer eins: Die Sprache.
Laut Wikipedia ist die sogenannte Vong-Sprache ein Sprachstil, der Mitte der 2010er Jahre als Internetphänomen entstanden ist. Ursprünglich sollte sie die schlechten Deutschkenntnisse vieler User persiflieren. Allerdings habe ich den Eindruck, dass die meisten Vong-Sprecher sich dieses Umstandes nicht wirklich bewusst sind. Mit anderen Worten, aus Satire wurde mittlerweile bittere Realität. Aber die Abgrenzungsfunktion funktioniert super! Eltern, Lehrer und ganz generell Menschen über 35 verstehen Vong erstmal nicht. Aber uns kann geholfen werden: Glücklicherweise gibt es mittlerweile ein satirisches Vong-Wörterbuch für Provinzbirnen und andere Nix-Versteher! Es besteht also Hoffnung, dass wir unsere Kinder mit ein bisschen Übung doch noch dechiffrieren. Aber wollen wir das? Oder ist die herkömmliche Variante, einfach ein paar Jahre nicht zu kommunizieren, vielleicht doch die bessere?
Wie gesagt, noch sind meine Kinder nicht im Teenageralter. Aber ein bisschen Ruhe zwischendurch fände ich ehrlich gesagt ganz schön… Los, Kids! Werdet dreizehn!


Veröffentlicht von

Frauke Holzwarth

Mutter, Texterin, Online-Redakteurin, Bloggerin über den täglichen Wahnsinn und die Tücken des Landlebens

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