Küken shreddern oder Eier wegschmeißen

So geht Nachhaltigkeit. Nicht.

„Tierschutz geht vor Wirtschaftlichkeit.“ So möchten die Richter des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig, die gestern ein Grundsatzurteil zur umstrittenen Praxis des massenhaften Tötens männlicher Ein-Tages-Küken gefällt haben, eben jenes Urteil verstanden wissen.
Ich fürchte, das muss mir mal jemand erklären.

Fangen wir von vorne an: Männliche Küken aus Legehennenlinien werden bisher einen Tag nach dem Schlupf aussortiert und getötet. Allein in Deutschland betrifft das jährlich 45 Mio Tiere. Weil sie naturgemäß keine Eier legen, und weil sie auf Grund der Züchtung auch kein Fleisch ansetzen, ist ihre Aufzucht für Brütereien unwirtschaftlich. Diese Unwirtschaftlichkeit wurde bisher immer als ausreichender Grund angesehen, den Tierschutz auszuhebeln (denn eigentlich ist es seit 2002 verboten, Tieren ohne „vernünftigen Grund“ Leid zuzufügen oder sie zu töten). So auch in einem Urteil des OVG Münster, dass durch das gestrige Urteil revidiert wird.

Aber stimmt das auch wirklich? Schauen wir uns das mal genauer an. Zunächst mal hat das Gericht entschieden, dass das Kükenshreddern vorerst erlaubt bleibt. Und zwar so lange, bis eine alternative Technik, das Geschlecht des Embryos bereits zu Beginn der Brutphase, also noch im Ei, zu erkennen, marktreif und für jede Brüterei anwendbar ist. Laut Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner sollte das im kommenden Jahr soweit sein.

Bis dahin geht es also munter weiter mit dem massenhaften Töten. Und danach? Werden dann jährlich 45 Millionen Eier vernichtet, statt 45 Millionen Tiere zu töten. Das mag einen Tick humaner sein, das mag im Einklang mit dem Tierschutz sein.

Aber wollen wir das wirklich? Das Problem wird doch nur verlagert. Was passiert denn mit den Eiern? Sie gelangen aus hygienischen Gründen nicht in den Verkauf. Sie werden weggeschmissen, oder bestenfalls zu Tierfutter verarbeitet, weil da die Hygienebestimmungen nicht so streng sind.

Wir sind eine Gesellschaft, die es sich schon jetzt leistet, jährlich 11 Mio Tonnen Lebensmittel wegzuschmeißen. In der es nach wie vor verboten ist, Lebensmittel aus den Müllcontainern von Supermärkten zu retten. Wollen wir das Ganze verschlimmern, indem wir jetzt auch noch 45 Millionen Eier auf den Müll werfen? Also, ich will das nicht!

Die Lösung? Zwei Nutzungen

Dabei ist die Lösung denkbar einfach. Wie Silvia Bender vom BUND in der taz schreibt, wäre es wesentlich sinnvoller, die Hühnerzucht grundlegend umzukrempeln. Momentan ist es so, dass für die Legehennenzucht nur Hochleistungsrassen eingesetzt werden, deren Abkömmlinge dann bis zu 300 Eier pro Jahr legen. Nach diesem Jahr sind sie vollkommen erschöpft, oft chronisch krank, und werden geschlachtet. Umgekehrt gibt es auch Hochleistungsrassen für die Hähnchenmast, die besonders gut Fleisch ansetzen, aber nicht wirklich zum Eierlegen geeignet sind. Diese Tiere leben noch kürzer, durchschnittlich 35 Tage.

Was also tun? Sogenannte „Zwei-Nutzungs-Hühner“ züchten. Es gibt nämlich auch Zuchtlinien, die etwas weniger Fleisch ansetzen als Masthühner, etwas weniger Eier legen als Legehennen, aber eben trotzdem beides können. Diese Tiere sind, weil sie nicht so hochgezüchtet sind, gesundheitlich weniger anfällig.

Weniger Fleisch schadet uns allen nicht, weniger Eier könnten wir sicher auch verkraften. Klingt für mich nach einer Win-Win-Situation. Stattdessen schmeißen wir aber munter Eier weg. Ist angeblich wirtschaftlicher. Und wen interessierte nochmal der Tierschutz? Lassen wir das.

Nachhaltigkeit? So nicht.