Karneval: Melde Vollzug. Schee war’s.

Das Bild oben ist zwar nur ein Symbolbild, aber es beschreibt ziemlich akkurat meine Stimmung an Karneval dieses Jahr. Ich war gelöst, fröhlich, auch ein bisschen nostalgisch, weil das letzte Mal schon so lange her war (Februar 2020, der Tanz auf dem Vulkan:-)).
Im Vorfeld hatte ich gezweifelt, ob ich das überhaupt noch genießen könnte: Sich an Weiberfastnacht in der alten Stammkneipe durch laute, bunt kostümierte und auf Kommando gut gelaunte Menschenmassen zu dem maximal 0,5 Quadratmeter winzigen Spot auf der Tanzfläche zu zwängen, der noch frei ist, um dann dort mit fünf(!) anderen Frauen ausgelassen zu tanzen. Ich weiß, das ist physikalisch unmöglich, aber Karneval in Köln ist so verrückt, der kann sogar Naturgesetze außer Kraft setzen. Wer einmal dabei war, wird es bestätigen. Hat auch dieses Jahr wieder erstaunlich gut funktioniert. Auch das die Gläser, aus denen man das Kölsch trinkt, keiner strengen Hygienekontrolle standhalten, stört nicht. Die „Kölsche Tön“, also Karnevalsmusik in Kölscher Mundart, saßen auch noch. Wer, so wie ich, als Kind die Musik der Bläck Fööss inhaliert hat wie ein Grippekranker Menthol, der kann auch Jahrzehnte später noch „In unserem Veedel“ laut mitsingen/-grölen. Im Schlaf, auf Knopfdruck und im besoffenen Kopf allemal. Und mit den neueren Stücken neuerer Bands ist es für den geübten Fan auch ganz einfach. Sie folgen alle dem gleichen Gesetz: Einfache Melodie + Lyrics, die unbedingt den Dom, den Rhein, den Kölschen Sonnenschein und das Kölsche Hätz (Herz) thematisieren + ein bisschen Schallallallalla für die nicht so textsicheren Zuhörer = Neuer Karnevals-Megahit. Der Rhythmus ist entweder ein schunkelfreudiger Dreiviertel-Takt, ein klassischer Vierviertel-Takt zum Mitklatschen, oder eine Polka zum Ausrasten. Einfaches Rezept, Sensationelle Wirkung. Klappt auch bei denen, die sich sonst das ganze Jahr als pseudointellektuelle Profi-Nörgler hervortun und gute Laune bei anderen nur aus einem Sicherheitsabstand von weit mehr als 1,5 Metern beobachten.
Fazit: Schön war’s, nächstes Jahr gerne wieder Kölle Alaaf!

Am Rosenmontag ging der Wahnsinn weiter. Meine beiden großen Jungs und ich gingen nämlich diesmal im Rosenmontagszug unseres Dorfes mit. Das letzte Mal, dass ich an einem Karnevalszug teilgenommen hatte, war im vierten Schuljahr, also vor fast vierzig Jahren. In meinem Heimatdorf hat nämlich die Schule damals den jährlichen Rosenmontagszug organisiert und aus den Schüler:innen des neunten Schuljahres wurde das Prinzenpaar ausgewählt. Das bedeutete, das Schüler:innen, Lehrer:innen und die Eltern in den Wochen vor Karneval jedes Wochenende mit Wagenbau, Kostüme nähen, Wurfmaterial besorgen und sonstigen Vorbereitungen beschäftigt waren. Ein aus heutiger Sicht nahezu unzumutbarer Aufwand, der uns Kindern aber sehr viel Spaß gemacht hat. Meines Wissens haben die Eltern irgendwann, als ich schon aufs Gymnasium ging, gemeutert und die Schule hat daraufhin mitgeteilt, dass sie sich nicht mehr am „Zoch“ beteiligen würde. Daraufhin gab es erstmal großes Geschrei aller Empörten, die sich zwar den großen Aufwand, den die Orga eines solchen Events bedeutet, nicht zumuten wollten, andererseits aber auf den „Zoch“ nicht verzichten konnten; es wurde viel diskutiert, aber schließlich sprangen die Vereine des Dorfes ein, und den Rosenmontagszug gibt es bis heute. Ich fand das damals ziemlich lächerlich – war ich doch mit meinen 15 oder 16 Jahren kurzzeitig zu cool für traditionelles Brauchtum und Humptata – mittlerweile finde ich es hingegen ziemlich cool, dass es immer noch so viele unentwegte Enthusiasten gibt, die sich das gerne Jahr für Jahr aufs Neue antun und damit das kulturelle Leben in den Dörfern am Leben halten.

Also, dieses Jahr gingen wir auch mal mit. Der Grund ist ganz einfach: Der Sportverein, in dem meine Söhne Fußball spielen, hatte 2022 100jähriges Jubiläum. Und hätte daher schon im letzten Jahr im Zug mitlaufen sollen. Letztes Jahr fiel aber, wie schon 2021, der Karneval den Corona-Maßnahmen zum Opfer, daher wurde die Teilnahme auf dieses Jahr verschoben. Und so fanden wir uns, zusammen mit etwa 100 anderen Vereinsmitgliedern am Rosenmontag bei herrlichem Sonnenschein, von Kopf bis Fuß in den Vereinsfarben Blauweiß und mit vollen „Kamellebüggeln“ auf dem Dorfplatz ein, und liefen daraufhin ca. zwei Stunden in gemächlichem Rentnertempo hinter einem stinkenden, alten Trecker, auf dessen Anhänger künstlerisch mehr oder minder Begabte einen Fußballrasen samt Bällen und Tor installiert hatten, her. Nun ja. Mal abgesehen davon, dass es wirklich schön war, war ich vor allem damit beschäftigt, meine Jungs im Auge zu behalten. Bekanntlich fließt der Alkohol an Karneval in Strömen. Und pubertierende Jungs nutzen, ebenfalls bekanntlich, jede Gelegenheit, um an verbotene Früchte zu kommen. Mein Großer, gerade mal 13, ist da leider keine Ausnahme. Außerdem ist er auf dem Weg zum Riesen (1,76 m, Schuhgröße 44 and counting) und hat auch schon sowas wie ein Fläumchen auf der Oberlippe – kurz, er wirkt älter. Offenbar alt genug für so manchen Passanten, der ihm Schnäpschen und Likörchen andrehen wollte. Und da ich meine Augen nicht immer und überall gleichzeitig haben kann, weiß das Kind jetzt, das Erdbeer Colada eklig ist. Mein Fazit daher: Gemischt. Schön war es, gefährlich war es offenbar auch, aber zumindest hatte der Alkoholgenuss abschreckende Wirkung. Noch. Bald wird er vierzehn. Wann habt Ihr eure ersten Erfahrungen mit Alkohol gemacht? Ich bin gespannt. Und besorgt. Und krieg mich jetzt wieder ein.

Fazit: Karneval: Kann man machen. Gewisse Risiken muss man wohl einkalkulieren. Zum Beispiel ist meine Corona-WarnApp seit zwei Wochen durchgängig rot. Insgesamt drei Risikobegegnungen. Nun ja. Wenn ich aus den letzten drei Jahren was gelernt habe, ist es folgendes: Leben will gelebt werden. Immer nur zugucken macht nämlich auf Dauer nicht glücklich.