Alltag eines Grundschulkindes
Mein Großer ist zehn Jahre alt und besucht die örtliche Grundschule. Über diese Schule kann ich viel Positives sagen (beste Klassenlehrerin, super engagiertes Kollegium, gute Ausstattung, mega Förderverein), und auch ein bisschen was Negatives („Schraipm nach Gehöa“ – Ganz schlimm!). Wir sind jedenfalls im Großen und Ganzen zufrieden. Schön ist auch, dass die Kinder hier offensichtlich einen respektvollen Umgang miteinander lernen. Jedenfalls hört man wenig über Bullying oder Mobbing, was an anderen Schulen ja leider häufig ein Problem darstellt.
Umso negativ überraschter war ich, als mein Sohn kürzlich ziemlich verschüchtert nach Hause kam und sagte, er wolle nicht mehr den offenen Ganztag besuchen. Zur Erklärung: „Offene Ganztagsschule (OGS)“ bezeichnet hier in NRW das Angebot an Grundschulen für Kinder berufstätiger Eltern, nach Unterrichtsende noch bis in den Nachmittag bgetreut zu werden. Die Kinder bekommen ein warmes Mittagessen, machen ihre Hausaufgaben, können am AG-Angebot teilnehmen oder frei spielen.
Mein Sohn geht bisher sehr gerne zur OGS (und für uns als berufstätige Eltern gibt es auch keine Alternative). Daher ließ mich sein Verhalten natürlich aufhorchen. Aber er rückte auch auf mein Drängen hin nicht mit der Sprache heraus, warum er nicht mehr hingehen wollte.
Dieses Problem löste sich allerdings wenig später durch einen Anruf der OGS-Leiterin. Sie klärte mich darüber auf, dass mein Sohn und ein Freund auf dem Schulhof von einem 16jährigen Jugendlichen bedroht worden seien. Der Jugendliche habe gesehen, dass der Freund meines Kindes Geld in der Tasche hatte, und habe ihm gedroht, ihm wehzutun, wenn er es nicht rausrückte. Was dieser daraufhin tat. Worauf der 16jährige abzog.
So weit, so übel. Die OGS-Leiterin informierte mich, dass dem Jugendlichen bereits bei vorherigen ähnlichen Situationen Schulhofverbot erteilt worden sei, was diesen aber weiter nicht kümmerte. Unter Umständen läge auch schon die ein oder andere Anzeige wegen Diebstahl und Körperverletzung vor. Die Schulleitung sei informiert. Mir wurde ganz schlecht.
Was macht man in so einer Situation als Mutter? Ich habe natürlich als erstes mit meinem Sohn gesprochen. Ich habe versucht, ihm die Angst vor diesem Jungen zu nehmen und ihn gleichzeitig ermahnt, sich einen Erwachsenen zur Hilfe zu holen, falls so etwas nochmal vorkommen sollte. Meinem Kind scheint das geholfen zu haben.
Mir aber nicht. Ich frage mich die ganze Zeit, ob das genug ist. Ob ich als Mama nicht mehr tun könnte, tun muss. Und ich frage mich auch, ob ich der Schule noch vertrauen kann. Ist Schule wirklich der geschützte Raum, in dem unsere Kinder ohne irgendeine Bedrohung von außen lernen, spielen und sich frei entfalten können? Und wie kann sich Schule gegen solche äußerlichen Bedrohungen wehren?
Ich muss sagen, ich weiss es nicht. Mein Sohn wird nach den Ferien auf die weiterführende Schule wechseln; was da für intellektuelle und soziale Herausforderungen auf ihn und uns zukommen, kann ich nur erahnen. Aber ich habe ja noch zwei weitere Kinder. Sohn Nr. 2 besucht bereits die zweite Klasse an der gleichen Schule, und der Mini wird in einigen Jahren ebenfalls dorthin gehen. Kann ich meine Kinder weiterhin guten Gewissens jeden Tag auf eine Schule schicken, der ich nicht mehr voll und ganz vertraue? Andererseits: Wer sagt mir denn, dass es woanders besser ist?
Ich fürchte, dass ich an dem Problem noch eine Weile zu knuspern habe.